Donnerstag, 31. März 2016

Vollidioten haben immer Vorrang


Ich geb’s gern zu: Auch ich habe den Führerschein nur unter dem Versprechen bekommen, dass ich mindestens fünf Mal in meinem Leben nach Maria Plain pilgern muss, aber gegen das, was andere Autofahrer so täglich auf den Straßen aufführen, bin ich definitiv jetzt schon heilig. In jahrelangen, peniblen Studien ist es mir nun gelungen, jene sechs Kategorien von Autofahrern wissenschaftlich zu klassifizieren, die mich am allermeisten auf die Palme bringen.

TUSSI ON TOUR

Auto:
Alles, was klein und schnuckelig ist und genug Platz für mindestens eine voll süße Clutch bietet.
Zum Beispiel: Fiat 500, Mini,…

Erkennungsmerkmale:
-    Deko-Artikel vom Polterabend-Blumenkranz bis zum Wackeldackel
-    Permanent heruntergeklappter Schminkspiegel
-    Ausufernde Blümchen-Sticker außen, diverses Glitzer-Klimbim innen, das in großen Trauben vom Rückspiegel baumelt

Fahrstil:
Absolut unberechenbar. Kommt man hinter einer Tussi on Tour zu fahren, ist höchste Konzentration gefragt. Einerseits ist man durch die bonbonfarbene Lackierung des Autos bereits optisch irritiert, andererseits wird man wahlweise von der Discokugel am Rückspiegel, der wild wippenden Diddlmaus auf der Hutablage oder der versehentlich eingeschalteten Nebenschlussleuchte gleißend geblendet. Nahe am Verlust des Augenlichts tut man sich doppelt schwer, das Fahrverhalten der Tussi vorauszusehen. Sie bremst nicht nur für Tiere, Menschen und Luftstöße, sondern tritt auch in regelmäßigen Abständen aus heiterem Himmel auf die Bremse, um nochmals schnell ihr Makeup zu kontrollieren oder die blonde Mähne neu zu adjustieren. Erschwerend kommt hinzu, dass sie in jeder Kurve versucht, gleichzeitig zu schalten und ihren Lippenstift frisch aufzutragen, was zu einer Durchschnittsgeschwindigkeit von ruckeligen 5 km/h führt, die sich spontan auf 90 km/h im Ortsgebiet steigern, wenn der Ladenschluss der nächsten Boutique in 10 Minuten bevorsteht.

PROLO IM POLO


Auto:
Alles, das irgendwie schnittig aussieht, halbwegs schnell fährt und idealerweise ein steinzeitmäßig röhrendes Geräusch von sich gibt, wenn man im Schnellstart von der Kreuzung wegqualmt.
Zum Beispiel: Golf GTI, 3er BMW

Erkennungsmerkmale:
-    Tiefer gelegtes Auto, röhrender Auspuff, wummernde Bässe
-    Sticker mit peinlich-prolligen Sprüchen an der Rückseite
-    Permanent geöffnetes Fenster, um Ellenbogen oder Zigarette cool heraushängen zu lassen

Fahrstil:
Genau wie ihre Frisur: cool und windschnittig. Der Prolo cruist, speedet und driftet als säße er im Batmobil und lässt sich auch in Ortsgebieten nur ungern von solchen Lappalien wie Geschwindigkeitsbeschränkungen oder Überholverboten beeindrucken. Kommt man vor ihm zu fahren, hat man die Arschkarte gezogen, da er durch sekündliches, genervtes Halb-Überholen subtil signalisiert, dass man sich doch bitte freundlicherweise in Luft auflösen möge. Hinter ihm hat man ein leichteres Leben, da die Fahrt zumindest halbwegs flott vorangeht. Das Problem sind eher die 3-10 Halb-Herzinfarkte, die man pro Minute erleidet, weil der Prolo unvermittelt mit 90 km/h in weitem Bogen auf die Laterne auf der anderen Straßenseite zusteuert, da er gerade durch ein total lustiges Youtube-Video auf seinem Handy, eine sich aus dem McDonalds-Tüten-Turm im Fußraum gelöste, schimmelnde Big Mac-Schachtel oder einen geilen Minirock am Gehsteig ein wenig abgelenkt war. Bei längeren Wartezeiten an der Ampel würde der Prolo niemals daran denken, seinen Motor abzustellen, da sonst die automatische Verbindung seines iPhones mit der Bose-Multimedia-Anlage gekappt werden könnte.

WAIDMANNS UNHEIL

Auto:
Autos ohne Schnickschnack, dafür mit Hundegitter. Am liebsten mit großer Ladefläche, Plane und in Tarnfarben.
Zum Beispiel: Suzuki Jimny, Nissan Navara

Erkennungsmerkmale:
-    Weithin sichtbarer Lodenhut
-    „-Land“ oder „-Umgebungs“-Kennzeichen
-    Jagdhund, der begeistert mit seinem Nasensekret die Rückscheibe verschmiert

Fahrstil:
Der Jäger ist es gewohnt, auf der Pirsch zu sein. Dementsprechend vorsichtig und schleppend fährt er auch, schließlich muss gleichermaßen die Vögelkolonie am Wegesrand biologisch bestimmt und darauf geachtet werden, dass hinter der nächsten Innenstadtkurve kein angefahrenes Reh auf der Straße liegt und durch einen Gnadenschuss erlöst werden muss. Der Jäger lässt sich nicht leicht durch etwas aus dem Konzept bringen, allerhöchstens von modernem Schnickschnack wie Ampeln, Kreuzungen, Verkehrszeichen oder Menschen. Trifft er auf eines dieser Dinge, reagiert er fluchtartig unberechenbar wahlweise durch massives Gasgeben, abruptes Bremsen oder unvorhergesehene Ausweichmanöver, bei denen Bello hinten beinahe von der Ladefläche katapultiert wird. Besonders in Parkplatzfragen sollte man sich mit dem Jäger nicht anlegen, schließlich hat er sein Jagdgewehr immer griffbereit und ungesichert am Rücksitz liegen. 

CRASH-TEST-MUMMY


Auto:
Alles, was möglichst groß und familientauglich ist (Minimumhöhe: drei übereinander stapelbare Laufräder). Gleichzeitig darf es aber nicht einfach ein Kleinbus oder Lieferwagen sein, sondern muss den höchsten Ansprüchen der modernen Technik genügen.
Zum Beispiel: VW Sharan, Ford Galaxy

Erkennungsmerkmale:
-    An jedem Fenster eine Winnie-Pooh-Sonnenblende
-    2-5 „Jenny an Bord“-Sticker an der Rückscheibe
-    Im Kofferraum bis zur Decke gestapelte Kinderwagen, Roller, Buggys und notfalls auch Wickeltische

Fahrstil:
Wie auf rohen Eiern. Kein Wunder, das Auto hat Mummy nämlich nicht selbst ausgesucht und hätte auch viel lieber einen Opel Corsa gehabt. Ihr Mann fand aber das App-gesteuerte Navi-System so toll, dass es kein anderer Wagen sein durfte, auch wenn er selbst nicht mal im Notfall damit fahren würde. Für Crash-Test-Mummy ist das Auto viel zu groß und kompliziert, weswegen sie bei jeder Parklücke wahlweise 5m nach hinten raussteht, mit dem Außenspiegel die Säule touchiert oder statt dem Blinker die hintere Scheibenwischanlage einschaltet. Zusätzlich werden ihre Fahrten noch dadurch verkompliziert, dass sie nicht mehr aus der komplett mit Kinder-Krimskrams vollgestellten Rückscheibe sieht, aber auch nicht weiß, wie man die voll elektrischen Außenspiegel richtig einstellen würde. Fahrten hinter der Crash-Test-Mummy sind ruckhaft und unvorhersehbar, muss sie doch alle 5m wegen fliegenden Spielsachen, Pre-Milch-Fontänen-erbrechenden Kindern, verlorenen Schnullern, Hirsekringel-Stopps und Pipi-Pausen das Fahrzeug unvermittelt an den Straßenrand reißen (selbstverständlich nicht, ohne vorher die hintere Scheibenwischanlage betätigt zu haben).

FORD-SIESTA-PENSIONISTA

Auto:
Alles, was noch aus der Vorkriegszeit übrig geblieben ist oder ihnen die sicherheitsliebende Nachkommenschaft geschenkt hat.
Zum Beispiel: Opel Kadett, Mercedes Benz 190

Erkennungsmerkmale:
-    Wahlweise hochtoupierte Dauerwelle oder Hut (ansonsten würde man auch gar nicht sehen, dass überhaupt jemand im Auto sitzt)
-    Rosenkranz am Rückspiegel
-    Gehäkelte Klorolle auf der Hutablage

Fahrstil:
Gemütlich, denn sie haben ja alle Zeit der Welt. Morgens um 07.00 Uhr fragen sie sich „Ach, irgendwann wollte ich doch heute zum Supermarkt fahren, wann soll ich denn das bloß machen? Eigentlich hätte ich ja den ganzen Tag Zeit, aber viel lustiger ist es doch, wenn alle anderen gerade in die Arbeit müssen!“. Also schwingen sie die arthrose-geplagten Knochen ins Auto, rücken die 7-Dioptrien-Brille nochmal zurecht und cruisen mit schleifender Kupplung und röhrendem Motor gemächlich im ersten Gang zum lokalen Lebensmittelladen. Kommt man hinter ihnen zu fahren und hat womöglich noch eine Zielzeit von unter einer Stunde, in der man möglichst im Büro oder sonst wo sein sollte, hat man Pech gehabt. Mit konstanten 10 km/h geht es durch die Straßen, alle paar Meter unterbrochen von einem kurzen Stopp, um aus jeder Nebenstraße mindestens ein Müllauto oder einen Traktor freundlich herausfahren zu lassen, den anderen Fahrzeugen außerhalb des Kreisverkehrs Vorrang zu geben oder sich vor dem Gegenverkehr zu erschrecken. Einziger Vorteil: Hinter einem Pensionista ist es nahezu unmöglich, irgendwo ins Radar zu fahren.

TOURING TOURIST

Auto:
Wahlweise ein Einfamlienhausgroßes Wohnmobil oder ein sportliche-schickes Cabrio, das selbst bei 5°C Außentemperatur ohne Verdeck gefahren wird.
Zum Beispiel: Hobby-Wohnmobil, Alpha Spider Cabrio

Erkennungsmerkmale:
-    Vorzugsweise holländisches oder deutsches Kennzeichen
-    Wohnmobil:  Die komplette „Corsica Ferries“ Sticker-Serie von mindestens 2003 bis 2016 an der Rückscheibe
-    Cabrio: Fahrer tragen Niki Lauda-Käppi bzw. Grace Kelly-Kopftuch

Fahrstil:
Obwohl recht unterschiedlich in ihrer Demographie und Herkunft, unterscheiden sich der Wohnmobil- und der Cabriourlauber in ihrem Fahrverhalten nur unwesentlich. Beide haben es nicht eilig, von A nach B zu kommen, sondern wollen dabei vielmehr bei 30 km/h maximal das Fahrerlebnis an sich genießen. Während es bei der holländischen Großfamilie im Wohnmobil dabei eher darum geht, die fünf Räder, zwei Kajaks und ein Moped an Gepäckträger, Dachträger oder Kofferraum mit dem 30 Jahre alten Camper, der schon letztes Jahr den TÜV nur noch mit Ach und Krach bestanden hat, heil an den nächsten Campingplatz zu bringen, kann der Cabrio-Fahrer unmöglich schneller fahren, weil ihm sonst der Fahrtwind die perfekt coiffierte Frisur zerstören würde. Beide sind in ihrer Fahrweise halbwegs berechenbar, solange man die Strecke selbst gut genug kennt. Weiß man beispielsweise, dass hinter der nächsten Kurve zum ersten Mal der See oder eine Mozart-Statue in Sichtweite kommt, kann man sich bereits darauf vorbereiten, dass der Urlauber unweigerlich entweder eine Vollbremsung einlegt oder zumindest auf 5 km/h reduziert, um aus dem fahrenden Auto besser fotografieren zu können. Selbes gilt bei Schildern für Autobahnraststätten, Sommerrodelbahnen, Steckerlfisch-Ständen oder Ähnlichem. Einzige Hoffnung als Hinterher-Fahrer: Bei der nächsten Polizei-Kontrolle an der Auffahrt werden sowohl Wohnmobil als auch Cabrio ohnehin aus dem Verkehr gezogen, weil Papa zu Hause darauf bestanden hat, dass man extra für diesen Urlaub jetzt aber sicher nicht diese doofe Vignette kauft.

Dienstag, 9. Dezember 2014

Herr, schmeiß Hirn vom Himmel!

Früher war mein Hirn echt top. Ein richtig tolles, schönes, fettes Gehirn hatte ich da, das sich jede Menge merken konnte. Ich konnte mich an Dinge erinnern, die länger als fünf Minuten in der Vergangenheit lagen, musste mir für Unternehmungen, die noch am selben Tag anstanden, keine Erinnerung ins Handy schreiben und wusste, wenn ich in einen Raum kam zumindest meistens noch, mit welcher Absicht ich dort hineingegangen war. Und dann wurde ich schwanger.

In meinen schlauen Schwangerschaftsbüchern hatte ich ja schon mit wachsender Angst davon gelesen, dass während der Schwangerschaft das Gehirn schrumpft. Angeblich soll sich das nach der Geburt zwar wieder ganz von selber geben, aber mal ganz ehrlich: In meinem Fall sieht das eher nicht so aus.

Seit Noah auf der Welt ist, bin ich komplett hilf- und hirnlos. Noch bevor der Satz zu Ende ist, vergesse ich, was mir andere gerade erzählt haben, ich verlasse andauernd ohne Schlüssel, Handy oder Geldtasche das Haus und habe in den letzten Monaten so viele Dinge verloren, wie in meinem ganzen bisherigen Leben noch nicht, was traurigerweise daran zu liegen scheint, dass ich Dinge, die ich in der Hand habe, einfach loslasse, wenn mein Hirn gerade wieder auf Superfahrt ist.

Letztens erlebte ich jedoch drei Episoden, die mich wirklich daran zweifeln ließen, ob ich mir nicht doch die Sache mit den Knoblauchkapseln überlegen sollte.

1.) Als ich unlängst einen Werkstatt-Termin vereinbaren wollte und um mein Kennzeichen gefragt wurde, wusste ich es nicht mehr. Gar nicht mehr. Nicht eine Zahl. Ganz gewitzt versuchte ich, während des Telefonats ins Vorhaus zu schleichen und von dort aus auf mein Kennzeichen zu lugen, als kurzsichtiges Huhn gelang mir aber auch das nicht und ich erfand irgendeine peinliche Ausrede vonwegen dass ich mir bei meinen 100 Autos leider gerade das EINE Kennzeichen im Moment just nicht gemerkt hätte...

2.) Als mich ein Freund, der zu uns auf Besuch war, kürzlich um einen Bieröffner bat, brachte ich ihm einen Karottenschäler.

3.) Mitten im Kaffeehaus griff ich anstatt zu meinem Cafe Latte vor den Augen aller anderen Gäste zu Noahs Fläschchen mit Pre-Milch.

Während ich das tippe, schäme ich mich zwar ein bisschen, gleichzeitig bin ich aber auch irgendwie stolz, dass ich mir alle drei Geschichten länger als einen Tag gemerkt habe! Leider kann ich noch nicht mal sagen, was meine Hirnkapazitäten so dermaßen in Anspruch nimmt. Weder das auswendig Lernen aller Strophen von "Der Kuckuck und der Esel" noch das tägliche intellektuelle Guckuck-Spiel mit Noah sollten mich eigentlich so dermaßen fordern, dass ich alles andere darüber hinaus vergesse. 

Ich kann mir höchstens vorstellen, dass, nachdem ich mein Kind gewickelt, angezogen, gefüttert, in drei Schichten Winterklamotten verpackt, seine Windeln, Fläschchen, Milchpulver, Schnuller, Decken, Feuchttücher, Ersatzbodies, Rasseln, Wasser, Kekse, Spuckwindeln, Regenschutz, Wagerl, Maxi Cosi und sonstige Kleinigkeiten für eine schnelle Fahrt um den Block verstaut habe, schlicht und einfach keine Hirnkapazität mehr für mich selbst übrig ist. 

Schade eigentlich. Denn irgendwann wird mir wahrscheinlich ohne Hose echt kalt, wenn ich mit Noah spazieren gehe...

Montag, 2. Juni 2014

Wenn einer eine Reise tut… Teil 6: Kärnten

Meine letzten Reiseziele waren London, Neuseeland und Fidschi. Jetzt wo Noah da ist, ist mein Reiseziel der Millstätter See. Da soll noch mal jemand sagen, das Leben mit Kindern verändert einen nicht komplett!

Nach 10 Wochen vollgekackten Windeln, durchwachten Nächten und überlebten Brüllattacken kommt einem allerdings sogar Kärnten schon vor wie die Costa Smeralda. Deswegen nützten wir das erste verlängerte Wochenende mit Kind für einen Ausflug nach Millstatt in ein spezielles Kinder- und Babyhotel.

Bis dahin war ein Kinderhotel meine Vorstellung eines Horrorurlaubs gewesen: überall kreischende, brüllende, quietschende Kleinkinder und kein bisschen Entspannung. Hat man jedoch selbst ein kreischendes, brüllendes, quietschendes Kleinkind, ist man froh, wenn man irgendwo hinfahren kann, wo einem dafür keiner einen Vorwurf macht. Insgeheim hofften wir zwar, dass wir nachher sagen könnten: „Ach ja, wir sind zwar vorsichtshalber in ein Babyhotel gefahren, aber geschrien haben eigentlich nur die anderen Kinder, unseres war total brav!“ – aber so viel sei schon mal vorweggenommen: das haben wir dann doch nicht gesagt.

Pünktlich zum Feiertag ging es also von Zuhause los. Der erste Unterschied zu einem normalen Urlaub war bereits, dass wir uns dafür ein größeres Auto hatten ausleihen müssen, weil wir wegen Noah den halben Hausstand mithatten. Der zweite Unterschied war, dass diesmal dafür die Ohropax zuhause blieben – wenn ich sie mir auch insgeheim zwischendurch oft gewünscht hätte!

Nachdem Bett, Vaporisator, Wasserkocher, Flascherl, Windeln, Kind & Co. also endlich verstaut waren, ging’s in Richtung Süden. Angekommen im Babyhotel bekamen wir erst einmal eine sogenannte „Hausführung“, die daraus bestand, dass wir zu unserem Zimmer gebracht wurden und auf dem Weg dorthin mit dem Hinweis, dass unser Kleiner hier sein Mittagessen essen könnte, den Kindertisch im Speisesaal gezeigt bekamen. Dass unser Kleiner erst 10 Wochen alt war und wir ihn statt in den bereitgestellten Hochstuhl höchstens auf ein Teller Pommes hätten legen können, schien im Babyhotel niemanden zu stören. Ebenso wenig die Tatsache, dass es zwar einen Lift gab, man um diesen mit zu erreichen, jedoch mit dem Kinderwagen in der Hand erst mal die dorthin führenden Stufen raufkommen musste…

Auch unser Zimmer erwies sich nach dem ersten Rundgang zwar als sehr schön, aber nur bedingt Babytauglich. In das bereitgestellte Babybett hätte ich Noah etwa nur legen können, wenn meine Arme ca. 3m länger gewesen wäre oder ich ihn aus 2m Höhe einfach hätte fallen lassen. Sofort kamen in mir Erinnerungen an meine Oma hoch, die im „Konsum“ in einer ähnlichen Situation die Tiefkühltruhe gefallen war oder an unsere Hausmeisterin, die dasselbe Schicksal mit der Biomülltonne ereilte.

Da Noah uns dann erst mal den Gefallen tat, ein bisschen zu schlafen, nützten wir die Gelegenheit für das Wichtigste, was frisch gebackene Eltern in diesem Fall brauchen: Wir setzten uns auf eine Kaffeehaus-Terrasse und bestellten ein Glas Wein. Danach hätten erst mal wir ein Schläfchen gebraucht, diese Gelegenheit nützte aber Noah, um seinerseits wach zu werden. Panisch liefen wir also zurück ins Hotel, um die volle Sirenen-Dröhnung im Cafe zu vermeiden und bespielten Noah im Zimmer bis zum Umfallen. Ergebnis dieser gut gemeinten Beschäftigungstherapie war nach etwa einer Stunde, dass Noah sämtliche Hotelhandtücher angepinkelt und den Teppich maximal eingespeichelt hatte und schrie wie am Spieß.

Die nächsten Stunden vergingen irgendwo im Schrei- und Schunkeldelirium, bis das Kind um halb 8 endlich ins SAB-induzierte Koma sank. Irgendwann schreibe ich einen Dankesbrief an SAB Simplex, wirklich. Um auch sicher zu gehen, dass Noah wirklich tief und fest einschlief, gab es wie immer eine Gute-Nacht-Geschichte. Dass wir das Märchenbuch daheim vergessen hatten und Noah stattdessen aus dem Hotel-Prospekt vorlasen, dass Hausmeister Petrinko sich auch gern um Ihr kaputtes Fahrrad kümmert, schien ihn Gott sei Dank nicht zu stören.

Um den kleinen Brüllaffen nicht zu wecken, verdunkelten wir das Zimmer und vermieden jegliches Geräusch. Während also draußen noch die Sonne herrlich auf den See schien und andere Menschen draußen in Gastgärten und Restaurants saßen, aßen wir im finsteren Zimmer stillschweigend unsere Wurstsemmel und überlegten, ob wir uns nicht lieber per SMS unterhalten sollten. So sieht Party aus!

Die darauf folgende Nacht möchte ich nicht näher beschreiben, ich halte es nur mit der guten, alten EAV: „Heiße Nächte, heiße Nächte in Millstattero, oh oh oh, und a klana Ursteinianer fongt on zum wana….“

Frisch und fröhlich sprangen wir also um 06.00 Uhr wieder aus dem Bett und mussten gleich den nächsten Unterschied zu einem normalen Urlaub feststellen. Nein, ich meine nicht, nicht dass sich im Normalfall keiner von uns über Nacht den Pyjama angekackt hatte (aber das auch!), sondern dass wir zum ersten Mal in unserem Leben darauf warten mussten, dass das Frühstück ANFING. Normalerweise hatten wir bisher immer das Problem gehabt, dass die letzten Krümel schon fast wieder vom Frühstücksbuffet gefegt waren, bis wir endlich aus den Federn und in den Speisesaal kamen.

Als es endlich 08.00 Uhr schlug, stürmten wir also das Buffet und genossen zum ersten Mal so richtig, was es heißt, in einem Kinderhotel zu sein. Während wir nur versuchten, in Ruhe und Frieden unsere Tasse Kaffee zu trinken, bauten sich sämtliche Kellnerinnen um unser Kind auf, um seine Haarpracht zu loben und uns leicht vorwurfsvoll mitzuteilen, dass „10 Wochen aber schon noch sehr früh für einen Urlaub“ sei (Werbestrategie für ein BABY-Hotel vielleicht noch mal überdenken?!), während schätzungsweise 40 Kleinkinder mit sirenenmäßigem Geheul stupide eine Runde um die andere um unseren Tisch trampelten.

Einzig eine andere junge Mutter hatte Mitleid mit unseren Augenringen und hielt ihr kleines Mädchen an, bei „dem Baby da drüben nicht so laut“ vorbeizulaufen, was zur Folge hatte, dass nur noch 39 Kleinkinder kreischend unseren Tisch umkreisten. Nachdem wir in mittlerweile gewohnten 5 Sekunden unser Nutella-Croissant verdrückt hatten (er könnte ja aufwachen, schnell, schnell!!), verließen wir also nur allzu gern den Speisesaal und legten uns im Zimmer erst mal wieder aufs Ohr – bis Noah 3,5 min später wieder aufwachte und der Spaß von vorne losging…

Wie dieser exemplarische Ferientag mit Baby also zeigt, kann man mit einem 10 Wochen alten Kind sehrwohl auf Urlaub fahren. Vielleicht sollte man aber doch besser die Ohropax auch noch einpacken...

Noahs erster Urlaub beginnt - so sieht wahre Vorfreude aus

Donnerstag, 27. Juni 2013

Wie es schmeckt

Wenn die Tage bitter schmecken
Nach Schnee und Neon, so still und fahl
Dann mach die Augen zu und halt dich fest

Wenn die Tage staubig schmecken
Nach Gips und Stahl, so eng und heiß
Dann renn los und lauf dir selbst davon

Wenn die Tage salzig schmecken
Nach Wind und Bass, so roh und laut
Dann atme ein, lass los und spring

Sport ist Mord

Eigentlich sollte ich eine Selbsthilfegruppe gründen. Mittlerweile ist man als Anti-Sportler nämlich eine diskriminierte Randgruppe, die von der restlichen Bevölkerung bestenfalls mit Unverständnis beäugt wird. Was, du treibst überhaupt keine Sport? So richtig gar keinen? Nein, tu ich nicht – und hör sofort auf, so subtil-vorwurfsvoll auf meine Schwimmreifen zu schielen!

Ich bin ja der Meinung, dass ich wirklich einiges im Leben gut kann. Ich bin zum Beispiel eine tolle Katzen-Streichlerin, kann leidlich Kuchen backen und bringe auch ab und an mal ein paar gerade Worte aufs Papier. Aber was ich gar nicht kann ist: Sport. Nix davon.

Während ich mich als Kind noch (einigermaßen) für Fangenspielen, Gummihüpfen und Springschnurspringen begeistern konnte, nahm das Dilemma spätestens mit dem wöchentlichen Turnunterricht in der Schule seinen Lauf. Insgeheim bin ich ja nach wie vor der Meinung, dass ich damals pädagogisch einfach falsch behandelt wurde (kleiner Tipp an zukünftige Turnlehrer: es ist NICHT motivierend, wenn man gerade gefühlte schier übermenschliche 100m beim Weitsprung gehechtet ist und dann nur ein unterdrücktes Kichern und ein „Hihi, na das Ergebnis schreib ich aber jetzt gar nicht erst auf!“ zu hören bekommt!), aber der Unterschied zwischen mir und meinen Klassenkolleginnen war doch durchaus, sagen wir einfach: sichtbar.

Während die anderen grazil über den Balken tänzelnden, Räder schlugen und wie die Äffchen an den Seilen hochkletterten, krachte ich gerade wahlweise gegen das Pferd, bekam den großen Medizinball an den Kopf oder hing vollkommen hilflos und mit knallrotem Kopf in einem missglückten Felgaufschwung vom Reck.

Die wöchentliche Scham führte bald dazu, dass ich zum Deserteur wurde. So oft wie möglich erpresste ich meine arme Mama dazu, mir eine Entschuldigung für den Turnunterricht zu schreiben, was dazu führte, dass ich einen erstaunlich hohen Prozentsatz des Jahres mit „Regelbeschwerden“ in der Turnsaalgarderobe saß und ein gutes Buch las. Leider ging diese sehr zufriedenstellende Strategie nur so lange auf, bis mir meine Lehrerin mit einer Nachprüfung in Turnen drohte, wenn ich nicht ab da an an jeder einzelnen Turnstunde aktiv beteiligt wäre. Also wieder rauf aufs Reck...

Dabei ist es ja noch nicht mal so, dass ich es nicht versucht hätte. Meine halbe Jugend verbrachte ich in krampfhafter Suche nach der richtigen Sportart für mich. Zuerst versuchte ich es mit Basketball – bis ich aus lauter Schmach damit aufhören musste, weil der einzige Korb, den ich jemals geschossen habe, sich leider als Eigentor entpuppte (und ich dachte ehrlich, die gröhlen alle so, weil sie sich mit mir freuen!). Danach kamen Tischtennis (zu ehrgeiziger Trainer), Badminton (zu talentierte 5-jährige Teamkollegen) und schließlich Baseball. Stolz kann ich verkünden, dass ich bei diesem Sport sogar mehrere Jahre blieb und es zweifelsfrei bis zum besten First-Base-Nichtsportler Salzburgs brachte. Irgendwann kam mir leider die Tatsache in die Quere, dass ich Fortgehen lustiger fand als Trainineren (ist euch übrigens schon mal aufgefallen, dass "Sport" und "Prost" aus genau denselben Buchstaben bestehen? Na?!) – und damit war auch die Zeit im Baseball-Verein Geschichte.

Man muss allerdings auch dazusagen, dass die Sterne mir regelmäßig ein unmissverständliches Zeichen gaben: Sport ist nicht für dich geschaffen! Zwei von drei Kopfverletzungen vor meinem 18. Lebensjahr gehen immerhin darauf zurück, dass ich als harmloser Zuschauer bei einer Sportveranstaltung anwesend war. Beim Air&Style von oben k.o. geschlagen, beim Vereinspiel durch einen tieffliegenden Baseball fast das Augenlicht verloren – wer soll sich da noch zum selber Sporteln motivieren??!

Die Hoffnung ist allerdings noch nicht komplett gestorben. Vor einigen Jahren habe ich mir im Ausverkauf um 10 Euro ein paar Laufschuhe gekauft. Und dann noch eine Hose dazu, und ein Shirt und eine Jacke... – für diesen Teil des Sports war ich echt topmotiviert! Ich muss allerdings zugeben, dass ich die Schuhe nach den ersten Laufversuchen, nach denen ich tagelang quasi querschnittgelähmt vom Muskelkater ans Bett gefesselt war, sehr schnell wieder in den Keller gestellt habe. Dort warten sie jedes Frühjahr darauf, dass ich sie doch mal wieder heraushole und meinen inneren Schweinehund überwinde.

Eines Tages möchte ich es auch wirklich schaffen: Wie die Massen an anderen Läufern, die meinen Weg kreuzen, wenn ich wieder mal gemütlich an der Salzach entlang schlendere, möchte ich mit (leicht) verschwitzter Stirn, wippendem Pferdeschwanz und endorphin-gelöstem Grinsen durch die Gegend traben und mich dabei super-athletisch fühlen. Eines Tages werde ich es schaffen – und bis dahin kann ich mir ja noch das eine oder andere Shirt kaufen. Zwecks der optimalen Vorbereitung und so...

Donnerstag, 31. Januar 2013

An dich


Wenn die Sonne hervorbricht
Und mich die Augen zukneifen lässt

Wenn der Wind nach Ozean riecht
Und die Schwere mich verlässt

Wenn die Zeit plötzlich still steht
Und alles macht Sinn

Wenn Lachen die Angst verweht
Und ich weiß, wer ich bin

Dann denk ich an dich

Und fühle mich glücklich

Und dankbar

Und träum nicht für mich

Montag, 21. Januar 2013

(No) smoke on the water


Manchmal wär ich gerne Raucher. Ich finde den Geruch zwar ekelerregend, die gesundheitlichen Folgen bedenklich und den Preis einer Schachtel Zigaretten astronomisch, aber der soziale Aspekt spricht mich einfach an. Schon in jungen Jahren war „Hast du mal Feuer?“ ein bombensicherer Anmachspruch (ich gebe jetzt nicht zu, dass ich deswegen als Nichtraucher eine Zeit lang immer ein Feuerzeug mit mir in der Tasche herumtrug), jede sinnlose Wartezeit kann mit einem kleinen Zigarettchen überbrückt werden und die völkervereinigende Komponente ist auch nicht zu unterschätzen. Schließlich schaut man beim alltäglichen „Gemma eine rauchen“ in der Arbeit als Nichtraucher immer wieder durch die Finger, wenn man sich nicht mit einer Schokozigarette dazustellen möchte.

Es ist ja nicht so, dass ich es nicht versucht hätte. Mit 14 war mein gesamter Freundeskreis mindestens ein Monat damit beschäftigt, mir das Rauchen beizubringen. In stundenlangen Lehrgängen versuchten sie mir im berühmten „Hccccchhh! Die Mama kummt!“-Verfahren näherzubringen, wie genau das Inhalieren einer Zigarette vonstatten zu gehen hatte. Kurz hat das auch funktioniert und ich war für ca. 5 Minuten extrem stolz darauf, jetzt auch zu den coolen Kids zu gehören – bis mir das Ganze schwallartig wieder hochkam und ich eine dampfende Pizza auf den Gehsteig legte. Und schon war’s mit dem cool sein wieder vorbei – denn das Gesetz der Natur verlangte es natürlich, dass immer genau in diesem Moment der Schwarm vorbeikam, den man eigentlich lässig als mystische Raucher-Lady und nicht als jämmerliche Spei-Fontäne hatte beeindrucken wollen.

Nachdem meine Karriere als kettenrauchende Coolness-Queen also gescheitert war, brauchte ich ein – oder besser gleich zwei! – andere Laster. Und ich musste sie mir hart erkämpfen! So war für mich Kaffee anfangs ein Gräuel. Bei dem bitteren Geschmack kam mir sofort die Galle hoch und von Genuss war ich so weit entfernt wie ein Eisbär von Honolulu. Ich war jedoch so fasziniert davon, wie andere genießerisch ihre Hände am dampfenden Becher wärmten, wie sie durch ein paar Schlucke in der Früh zu neuer Lebenskraft erweckt wurden und wie sie sich täglich mit den Worten „Gehst mit auf an Kaffee?“ davonmachten, um bestimmt ohne mich um die Kaffeemaschine gescharrt die heißesten Neuigkeiten zu besprechen, dass ich mich einfach dazu zwang, das schwarze Gesöff zu mögen. Mit einer bewundernswerten Ausdauer pilgerten meine einzige andere Kaffee-abstinente Freundin und ich also von da an regelmäßig ins Kaffeehaus und zwangen uns, wenigstens eine Tasse von der Plörre runterzubekommen. Anfangs benötige es dazu pro Tasse etwa einen halben Liter Milch und 5 Stück Würfelzucker, aber schon nach ein paar Monaten begann unser Projekt Früchte zu tragen. Endlich fing der Kaffee auch an, uns zu schmecken und wir gehörten jetzt dazu. „Hast du schon einen Kaffee gehabt?“, „Treff ma uns morgen auf an Kaffee?“, „Ma, jetzt war a Kaffee guat!“ – all diese Sätze gingen uns von da an mit stolzgeschwellter Brust von den Lippen.

Damit nicht genug, musste auch noch das Laster Alkohol daran glauben. Der Gruppenzwang erlaubte es uns einfach nicht, bei Almdudler zu bleiben und so begann dasselbe Spielchen wie beim Kaffee. Das erste Bier war einfach nur ekelerregend – weg musste es trotzdem! Ich kann mich noch gut erinnern, als wir uns damals zu viert ein Cola Rum bestellten und uns darum stritten, wer am meisten davon trinken musste, weil wir es so grausig fanden – hach, was waren das noch für Zeiten! Leider entdeckten wir kurz darauf dann Baileys. Wer schon mal einen Baileys-Rausch hatte (was ehrlich schwierig ist, da man sich im Normalfall vorher übergibt oder an Zuckerschock stirbt), weiß dass man sich am nächsten Tag aus tiefstem Herzen wünscht, man wäre Anti-Alkoholiker geblieben. Die Hemmschwelle war damit aber gefallen und wir starteten ab da diverse Feldversuche dazu, ob es uns mit Saurem Apfel, Ribiselwein, Tequila oder Bier am nächsten Tag besser ginge. Nachdem wir einstimmig festgestellt hatten, dass dem nicht so war, wünschten wir uns alle, wir hätten mit dem Blödsinn gar nie angefangen. Andererseits ist komplett lasterfrei ja auch irgendwie langweilig - also, sonst noch jemand einen Kaffee?